Das sogenannte „Trockenwohnen“ war in der Zeit um 1900 eine Möglichkeit für ärmere Bevölkerungsschichten, ein Dach über den Kopf zu bekommen und nur eine geringe oder keine Miete zu zahlen, allerdings oft auf Kosten der Gesundheit: Atemwegserkrankungen waren vorprogrammiert, da der damals verwendete Kalkmörtel noch circa drei Monate Wasser absonderte. Die „Trockenwohner“ sorgten mit ihrer Anwesenheit, ihrem Atem und dem Lüftungsverhalten dafür, dass der Mörtel schneller aushärtete und so die Wohnungen schneller regulär vermietet werden konnten, die Trockenwohner zogen dann in die nächste fertiggestellte Wohnung. Möbel hatten sie meist keine oder nur wenige, sodass der häufige Wechsel leichter zu bewerkstelligen war. Darunter waren auch die Arbeiter mit ihren Familien, die das Haus eben errichtet hatten. Es war eine Möglichkeit, in den explodierenden Städten der Obdachlosigkeit zu entgehen.
Auch Hans Fallada erwähnt in seinem 1953 erschienenen Roman „Ein Mann will nach oben“ die Situation von Trockenwohnern in den Berliner Neubaugebieten um die Wende zum 20. Jahrhundert.
Man sollte sich bewusst machen, dass das seinerzeit neu entstehende östliche Ringgebiet oder auch die Riedestraße, die Neubaugebiete waren, so wie heute die Neu- und Umbauten am Botanischen Garten, Buchlers Garten, Leonhards Garten oder die neue Nordstadt. Das erscheint uns heute nostalgisch, war damals der letzte Schrei. Funktional und modern mit Elektrik, Licht und fließend Wasser, mit Toilette und heizbaren Räumen. Noch nicht mit schnellem Internet, intelligenter Haustechnik, Fotovoltaik und Dreifachverglasung. Geschichte wiederholt sich.
Die Riedestraße war und ist umschlossen von einem Gewerbegebiet, in dem heute verschiedene Firmen aktiv sind. Zur Zeit unserer Ansicht um 1907 war die größte Firma das Büssing-Werk. Heute ist es die Traditionsbrauerei Wolters (gegr. 1627 – an die Wolfenbüttler Straße gezogen 1876), zu Zeiten des Brauvorgangs riecht die Luft nach Hopfen und Maische, das ist nicht jedermanns Sache.