Eine der ärmsten Gegenden Braunschweigs
Der Nickelnkulk war eine der ärmsten Gegenden Braunschweigs, bewohnt von kleinen Handwerkern, Arbeitern, vielen Kindern und Erwerbslosen. Unsere Schwarz-Weiß-Ansichten zeigen die windschiefen, maroden alten Häuser. Eine eher unheimliche Gegend, durch welche man nachts nicht alleine gehen mochte. Dazu passt ein Spottvers der Zeit:
Murenstrate, Klint und Werder, davor hüte sich ein jeder. Nickelnkulk is och nich beter, denn da wohn’n die Messerstäker. Lange Strate ach nicht minder, denn da wohnen viele Kinder! Heute würde man sagen: ein sozialer Brennpunkt. Die Kunst des Messerstechens erfährt in Deutschland zur Zeit leider eine ungewollte Renaissance. Gleichwohl gab es dort auch Firmen und Handelsgeschäfte wie zum Beispiel die Fabrik wollener Decken aller Arten W. Schorse, Nickelnkulk 23. Hier bekam man Arbeiter-Schlafdecken und Pferdedecken. Gemäß Anzeige konnten diese sowohl für das Pferd als auch für den Arbeiter gebraucht werden. Vier Qualitäten standen zur Auswahl: leicht, mittel, schwer und extraschwer. Grau- und braunmeliert mit bunten Kanten, die größten 1,60 mal 2,10 Meter. Preislich lag das Ganze zwischen 2,40 und 7,60 Mark, wobei man 1900 für 12 Pfennig einen halben Liter Bier bekam. Heute gibt es für Pferde ein ganzes Arsenal an Decken: Fliegendecke, Abschwitzdecke, Weidedecke, Winterdecke, Longierdecke, Ausreit- und Nierendecke. Auch für Pferde hat die Hightech-Zeit begonnen. Mir kommen bei solchen Erkenntnissen immer die kleinen Schoßhunde in den Sinn, die bei etwas kälterem Wetter sozusagen mit Wintermantel und Fußschühchen durch die Botanik laufen, wenn sie dies denn noch können. Auch bei den Menschendecken hat heute die Vielfalt Einzug gehalten. Die Hülle der zu füllenden Decken ist ja meist noch aus Baumwolle, aber dann kommt es: Die Füllware kann aus Schafschurwolle, Kamelhaar, Kaschmir, Baumwolle, Pappelflaum (Samenfäden der Pappelfrüchte), Wildseide, Faserkügelchen, Vlies oder die seit langem bekannten Daunen und Federn sein. Wussten Sie übrigens, dass Gänse besonders viel Profit versprechen, wenn man sie lebend rupft? Dies geschieht meist nicht nur einmal (wegen Profit), sondern bis zu sechszehnmal. Wenn die Gans dann so halb besinnungslos nach dem Rupfen auf dem Boden liegt und ihre Schmerzen aushält, denkt sie bestimmt: Euch sollte man teeren und federn mit den meinen. Darum: viel Bedacht beim Bettdeckenkauf! Neben dem Lebendrupf gibt es auch den Totrupf – hört sich nicht so gut an, ist aber genauso warm und erspart Tierleid. Auch in der armen Gegend des Nickelnkulk gab es eine Besonderheit: Erwähnte Familie Schorse hatte ihr Grundstück Nickelnkulk 23 seit über 200 Jahren im Eigentum und damit nach Aussage des Historikers Heinrich Meier so lange wie zu der Zeit keine andere Familie ihre Immobilie in Braunschweig. Neben der, wie auf der Ansicht von 1898 zu sehenden Überschwemmungen in Braunschweig und hier des Mühlengrabens im Juli 1898 hinter dem Nickelnkulk, ist auch ein Hochwasser in Ohrum in diesem Jahr erwähnt. Damals stand die Fährmühle, trotz des Öffnens aller Wehre und Schleusen, fast 1 Meter unter Wasser. Bei der Katastrophe war auch ein Todesopfer zu beklagen.
Ein Bauer, unterwegs auf der Straße zwischen Ohrum und der Mühle, wurde mit seinem Ackerwagen von der Straße gespült.